Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für mehr Entgeltgleichheit

Aussteller: Deutscher Gewerkschaftsbund und Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht

Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit: Diese Forderung ist mit der Digitalisierung der Arbeitswelt keineswegs obsolet geworden. Die  geschlechtlichen Strukturierungen des Arbeitsmarktes und deren Auswirkungen auf Löhne und Einkommen sind weiterhin wirkmächtig.

Aus der Geschichte lernen?

Die Geschichte der Softwareentwicklung zeigt anschaulich, wie die durch Geschlechterverhältnisse geprägte gesellschaftliche Bewertung von Arbeit und deren Entlohnung zusammenhängen. Der „Frauenberuf“ Computer (Rechnerin) galt zu Beginn der Computergeschichte als eine leichte Bürotätigkeit und wurde nur mäßig entlohnt. Institutionen wie die NASA bezahlten Rechnerinnen in den 1950ern zwar mehr, als sie in anderen Bürotätigkeiten erhalten hätten, und stellten auch Mütter ein – zu dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit. Das unsichtbar gemachte Vermächtnis der Frauen, die Männer sicher auf den Mond schickten, wurde jedoch erst Dekaden später anerkannt. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts – seitdem mehr Männer in der IT-Branche arbeiteten – stiegen Prestige und Bezahlung.

Geschlechtsneutrale Arbeitsbewertung!

Auch heute noch werden Berufe und Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, unterbewertet. Eine aktuelle Studie von Andrea Jochmann-Döll, Christina Klenner und Alexandra Scheele beschreibt anhand von betrieblichen Fallstudien, wie diese Unterbewertung mangels geschlechtsneutraler Arbeitsbewertungen in betrieblichen Entgeltsystemen oder Tarifverträgen zustande kommt. Gerade in Berufen, die zum großen Teil von Frauen ausgeführt werden, spiegeln sich neue Anforderungen häufig nicht im Entgelt wider. Ein Beispiel hierfür sind Büroberufe. Dort wird seit langem von den Beschäftigten erwartet, dass sie technische Infrastruktur und spezielle Programme nutzen – etwa durch die Einführung des PCs. Die Bewertung der Leistungen wurde jedoch kaum in Hinblick auf die dabei erbrachten Anpassungsleistungen angepasst.

Gelegenheitsfenster nutzen

Die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht empfiehlt, die aktuell mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen in allen Branchen zum Anlass zu nehmen, die Bewertung von Arbeitsplätzen und deren Bezahlung genauer unter die Lupe zu nehmen.

Was und wen braucht es, um zusammen mit dem Digitalisierungsschub der Forderung nach Entgeltgleichheit neuen Schwung zu verleihen?

Dazu diskutieren auf der LABOR.A 2022:

  • Aysel Yollu-Tok, Vorsitzende der Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht
  • Alexandra Scheele, Mitautorin der Studie „Entgeltgleichheit im digitalen Wandel“
  • Lisa Rabe, Bundesfrauensekretärin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten

Kommen Sie dazu und diskutieren Sie mit!

Wandel ist weiblich:  Der 22. Ordentliche DGB-Bundeskongress hat im Mai 2022 den Antrag „Wandel ist weiblich – Die Geschlechterperspektive in der Transformation verankern!“ des DGB-Bundesfrauenausschuss sowie bereits im Jahr 2018 den Antrag „Gute Arbeit 4.0 geschlechtergerecht gestalten“ beschlossen. Dort werden Bedarfe für eine geschlechtergerechte Digitalisierung aus Sicht der Gewerkschaften formuliert.

Das Faktenblatt „Ungleiche Weiterbildungschancen im digitalen Wandel“ liefert Daten zum Verdrängungspotential, dem frauendominierter Tätigkeiten in Unternehmensführung und -organisation im Zuge der Digitalisierung ausgesetzt sind, und problematisiert die mangelnde Partizipation insbesondere von Müttern an Weiterbildungsmaßnahmen. Notwendig sind daher ein Gleichstellungs-Check bei digitalen Vorhaben der Bundesregierung sowie die Einführung eines institutionalisierten Monitorings. Auf betrieblicher Ebene bedarf es

  • der Einführung einer Frauenquote für die Inanspruchnahme von Weiterbildung in Betrieben und Dienststellen,
  • der Sicherstellung familienfreundlicher Angebote und eine zielgruppengerechte Ansprache
  • im Digitalisierungsprozess der Überprüfung von Tätigkeitsprofilen hinsichtlich ihrer Eignung, um sie ggf. entsprechend aufzuwerten und Ansprüche auf Höhergruppierung unabhängig vom Geschlecht zu erfüllen.    

In der Praxis: Dr. Christina Klenner, PD Dr. Alexandra Scheele und Dr. Andrea Jochmann-Döll untersuchen in einervon der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie, welche Bedeutung die Digitalisierung von Arbeit für Entgeltgleichheit und deren Überprüfung in Betrieben hat. Formen und Verfahren der betrieblichen Prüfung gemäß Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) werden anhand von Bespielen aus der Praxis analysiert. Dabei werden Hemmnisse und Gelingensbedingungen für Entgeltgleichheit unter den Vorzeichen einer zunehmenden Digitalisierung offengelegt. Die Studien können Sie auf der Seite der Hans-Böckler-Stiftung herunterladen.

Der Dritte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“: Die Gleichstellungsberichte leisten eine empirische Bestandsaufnahme zum Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland. Die auf dieser Grundlage entwickelten Handlungsempfehlungen zielen auf den Abbau der erkannten Ungleichheiten. Der Dritte Gleichstellungsbericht untersucht konkret die Frage, wie Digitalisierung geschlechtergerecht umgesetzt werden kann. Alle Informationen rund um den Dritten Gleichstellungsbericht finden Sie unter www.dritter-gleichstellungsbericht.de.

Kontakt

Name: Mirjam Dierkes; Anja Weusthoff
E-Mail: Gleichstellungsbericht@iss-ffm.de; fgf@dgb.de
Webseite: https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/; https://frauen.dgb.de/