Podcast: Democratize Work!

Aussteller: Forum Neue Politik der Arbeit e.V. und Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt in der ZEWK der Technischen Universität Berlin

Überblick

Im Podcast Democratize Work! diskutieren Felix Nickel und Johanna Lauber einmal im Monat mit Gästen aus Wissenschaft und Praxis (reale) Utopien und konkrete Problemstellungen rund um „Demokratie und Arbeit“.

In der Episode „Berliner Krankenhausbewegung: Neue Formen der Beteiligung im Tarifkonflikt der Leistungsträger*innen“ zum 8. März beleuchten wir die Erfahrungen der Berliner Krankenhausbewegung mit neuen Formen der Beteiligung im Tarifkonflikt und was „verkannte Leistungsträger*innen“ in anderen Bereichen daraus lernen können (Episode 15). Gäste: Nicole Mayer-Ahuja (Arbeitssoziologin Universität Göttingen) & Dana Lützkendorf (ver.di-Aktive & Intensivpflegerin Charité Berlin und Mitglied der Tarifkommission)

In der Episode „Wer gibt den Takt vor? Arbeitszeit, Zeitwohlstand und Demokratie im Betrieb“ (Episode 16) widmen wir uns Zeit als Gegenstand von demokratischen Aushandlungsprozessen in der Arbeitswelt aber auch Voraussetzung für demokratische Beteiligung und wichtiger Aspekt einer sozial-ökologischen Transformation. Gäste: Gerrit von Jorck (TU Berlin) und Klaus Mertens (Wissenschaftlicher Fachreferent beim Betriebsrat ZF Friedrichshafen AG (Schweinfurt)

Berliner Krankenhausbewegung: Neue Formen der Beteiligung im Tarifkonflikt der Leistungsträger*innen

In dieser Episode diskutieren wir mit Nicole Mayer-Ahuja (Arbeitssoziologin Universität Göttingen) & Dana Lützkendorf (ver.di-Aktive & Intensivpflegerin Charité Berlin und Mitglied der Tarifkommission) über die Bedeutung neuer demokratischer Ansätze im Streik der Berliner Krankenhausbewegung. Außerdem fragen wir nach dem Zusammenhang zwischen Geschlecht und prekären, wenig selbstbestimmten Arbeitsbedingungen.

Ausschnitte aus der Episode:

Prekär und systemrelevant. Arbeitsbedingungen und Streiks in der Krankenhauspflege

Wir fragen Nicole Mayer-Ahuja, warum gerade in den weiblich dominierten Berufen, die essentiell für die Erhaltung von Leben und grundlegender gesellschaftlicher Zusammenhänge sind, oft so schlechte Arbeitsbedingungen vorherrschen. Sie hat auch eine interessante Perspektive auf die Frage, warum Tätigkeiten in der Öffentlichkeit unterschiedlich anerkannt sind. Dana Lützkendorf berichtet von den Streiks an der Charité und bei Vivantes im letzten Jahr. Wie entsteht der enorme Druck und die Arbeitsbelastungen bei den Kolleg*innen? Was konnten sie bisher erreichen? Wie können streikende Krankenpfleger*innen mit dem Vorwurf moralischer Erpressung umgehen?

Demokratischer Arbeitskampf und Partizipation. Wie kann unter schwierigen Arbeitsbedingungen eine Streikbewegung erfolgreich sein?

Von der Kampagnenplanung über die Forderungsfindung bis zu den Verhandlungen. Dana Lützkendorf erklärt den innovativen demokratischen und partizipativen Ansatz der Berliner Krankenhausbewegung. Die demokratische Partizipation, wie etwa die Rückmeldung von Verhandlungszwischenständen und ihre Diskussion mit Teamdelegierten der Belegschaft, hat Lernprozesse ermöglicht und das Selbstbewusstsein der Beschäftigten gestärkt. Der vierwöchige Streik mit breiter Beteiligung führte zu einem guten Verhandlungsabschluss und zu einem selbstbewussten Umgang mit Drohgebärden der Arbeitgeber*innen.

Die „natürliche“ Qualifikation von Frauen. Prekarität und Geschlecht in der Krankenpflege

Die Herabsetzung von Vergütungsstandards und Arbeitsvertragssicherheit hat sich bei Frauenberufen und migrantischen Beschäftigten häufig zuerst durchgesetzt. Das Fehlen von kollegialer Einbindung und gewerkschaftlicher Vertretung taten ihr Übriges. Nicole Mayer-Ahuja führt aus, wie mit dem Argument einer höheren Flexibilität und Selbstbestimmung bei der Arbeit, Vollzeit- in Teilzeitarbeitsplätze zerschlagen wurden. Diskutiert wird, wie in der Pflege die scheinbar „natürliche“ Qualifikation von Frauen, Kinder und Kranke besonders gut versorgen zu können, zur Senkung von Vergütungsstandards und Deregulierung der Arbeitsbedingungen beigetragen hat.

Die Gäste dieser Episode

Nicole Mayer-Ahuja ist Professorin für für Soziologie von Arbeit, Unternehmen und Wirtschaft an der Universität Göttingen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Arbeits- und Unternehmenssoziologie, Gender Studies sowie Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Zusammen mit Oliver Nachtwey hat sie letztes Jahr Berichte aus der Klassengesellschaft gesammelt und im vielbeachteten Sammelband “Verkannte Leistungsträger:innen” herausgebracht.

Dana Lützkendorf ist Intensivpflegerin an der Charité Berlin und Vorsitzende des Gesamtpersonalrats der Charité Berlin, Mitglied der verdi-Tarifkommission . Seit Jahren ist sie aktiv bei ver.di und in der Berliner Krankenhausbewegung und hat zusammen mit ihren Kolleg*innen an der Charité und bei Vivantes letztes Jahr den wohl heftigsten und größten Streik jemals in der Geschichte der Gesundheits- und Krankenpflege erfolgreich zuende gebracht. Seit April 2022 ist sie Gewerkschaftssekräterin bei ver.di.

Weitere Hinweise

Die einzelnen Clips dieses Gesprächs stammen aus dem Podcast „Democratize Work!“. Das gesamte Gespräch am Stück und weitere Episoden sind hier zum Nachhören zu finden.

Der Sammelband „Verkannte Leistungsträger:innen. Berichte aus der Klassengesellschaft“ herausgegeben von Nicole Mayer-Ahuja und Oliver Nachtwey erschien 2021 beim Suhrkamp Verlag.

Das „Berliner Bündnis Gesundheit statt Profite“ ist ein Bündnis von Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen, das sich gegründet hat, um ein Zeichen gegen die aktuelle Gesundheitspolitik zu setzen. Sie fordern ein Ende der Profitorientierung, die Vergesellschaftung des Gesundheitswesens und Selbstbestimmung für alle Gesundheitsberufe.

Auch in NRW hat sich ein Bündnis für „gesunde Krankenhäuser in NRW für – ALLE“ gegründet, das unter anderem eine Unterschriftensammlung durchführt.

Wer gibt den Takt vor? Arbeitszeit, Zeitwohlstand und Demokratie im Betrieb.

In dieser Episode (veröffentlicht im April 2022) geht es um Fragen der Zeit, einem zentralen Feld der Auseinandersetzung von Beschäftigten und Gewerkschaften. Wir beschäftigen uns aber nicht einfach mit der 35-Stunden-Woche, sondern schauen mit Gerrit von Jorck (TU Berlin) und Klaus Mertens (Wiss. Referent des Betriebsrat bei ZF Friedrichshafen AG) viel genereller auf das Thema Zeit. Was ist Zeitwohlstand? Was bedeutet Zeitsouveränität? Und wie sollte Arbeit und Leben gestaltet sein, damit Beschäftigte so arbeiten und Leben können, dass Sie ihre Ansprüche an das eigene Tun verwirklichen können? Auf Veränderungen der Zeitregime durch die Pandemie spielen natürlich eine Rolle. Und abschließend klären wir, warum ein Free-Day-for-Future wohl kein Freitag sein sollte. 

Ausschnitte aus der Episode:

Arbeitszeitregime flexibel und strikt zugleich: Ungleichheiten im Betrieb

Klaus Mertens klärt auf über das Problem der strengen Zeitregime in einem Industriebetrieb. Er erklärt auch welche Spaltungen es zwischen Produktionsarbeiter*innen und Beschäftigten in der Verwaltung existieren und welche Auswirkungen die Pandemie hatte. Gerrit von Jorck berichtet aus seiner Forschung wie Ungleichheiten über die Zeitverfügung auch entlang von Hierarchien und Qualifikationsniveaus in Betrieben strukturiert sind.

Zeitwohlstand: Was ist das eigentlich?

Gerrit erklärt warum Zeitwohlstand nicht mit Arbeitszeitverkürzung gleichzusetzen ist. Doch was ist eigentlich Zeitwohlstand? Klaus weist auf das Problem hin, dass in der Industrie Zeit und Lohn eng verbunden sind. Müssten wir vielleicht anders über Lohn nachdenken und für was er gezahlt wird? Weiterhin diskutieren die beiden über die Probleme der Projektarbeit, die für Beschäftigte neue Belastungen mit sich bringen.

Was heißt hier eigentlich „genug Zeit?

Der Begriff des Zeitwohlstands geht von einem „Genug“ an Zeit aus, doch wer bestimmt eigentlich was „genügend“ Zeit ist? Darüber klärt Gerrit auf und Klaus weist auf die spezielle Situation des vorgegebenen Taktes in der industriellen Arbeit hin. Doch lassen sich Belastungen nur mit einem Aufwuchs an Personal bewältigen oder müssen auch einfach Prozesse in der Industriearbeit grundlegend anders gedacht werden?

Wo bleibt die Zeit für Mitbestimmung und Demokratie?

Was ist dran an der These des Soziologen Axel Honneths, dass Beschäftigten einfach die Zeit für Mitbestimmung und demokratisches Engagement fehlt? Was machen Beschäftigte, wenn sie einmal ungewöhnlich viel Zeit haben, weil die Arbeit ruht (wie z.B. während der Pandemie)? Hier scheint es nicht nur um freie Zeit zu gehen, sondern auch wie Arbeit demokratische Kultur fördern oder verhindern kann.

Eine Utopie: Genug Zeit für alles!

Ein utopischer Blick von Gerrit und Klaus auf das Verhältnis von Arbeitszeit, Zeit für Sorge und Familie, Zeit für politische Arbeit und Zeit für die Selbstentwicklung.

(Arbeits-)Zeit, Zeitwohlstand und die sozial-ökologische Transformation

Weniger Arbeiten für das Klima? Warum eine 4-Tage-Woche nur unter bestimmten Bedingungen einen Beitrag zum ökologischen Wende beitragen kann und wieso ein Free-Day-for-Future auf jeden Fall kein Freitag sein sollte, erklärt Gerrit zum Schluss der Episode. Klaus weitet den Blick und weist auf die Notwendigkeit einer globalen Wende hin, sonst verlagern Unternehmen umweltschädliche Produktion wohl nur.

Die Gäste dieser Episode

Gerrit von Jorck ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum an der TU Berlin. Er studierte Volkswirtschaftslehre und Sozialwissenschaften in Köln und Utrecht (Diplom), Kulturwissenschaften und Philosophie an der TU Berlin und in Potsdam (B.A.) und Economic and Public Policy of Central and Eastern Europe an der Corvinus Universität zu Budapest (Master Certificate). In seiner Dissertation fokussiert er sich auf den Einfluss verschiedener Arbeitszeitregime auf den Zeitwohlstand von Beschäftigten.

Klaus Mertens ist wissenschaftlicher Fachreferent beim Betriebsrat ZF Friedrichshafen AG (Schweinfurt) sowie im Europäischen Betriebsrat und Gründungsmitglied von „Die Transformateure“, einer Gruppe verschiedener Personen, die verbindet, dass sie sich aktiv für die sozialökologische Transformation einsetzen.

Weitere Hinweise

Die einzelnen Clips dieses Gesprächs stammen aus dem Podcast „Democratize Work!“. Das gesamte Gespräch am Stück und weitere Episoden sind hier zum Nachhören zu finden.

ReZeitKon – Zeit-Rebound, Zeitwohlstand und Nachhaltiger Konsum“ ist ein Forschungsprojekt das sich intensiv mit dem Zusammenhang zwischen Zeitwohlstand von Beschäftigten und Nachhaltigkeit auseinandersetzt. Hier wurde auch der “Zeitwohlstandsrechner” entwickelt. Hier kann man den eigenen Zeitwohlstand im Alltag berechnen und abgleichen wie dieser im Vergleich zu anderen aussieht.

Zum Nachlesen gibt es den Essay “Der arbeitende Souverän“ von Axel Honneth aus der TAZ vom 12.06.2021. Wer sich weiter mit Fragen der Zeit und Beschleunigung auseinandersetzen will, dem seien die Werke des Sozialphilosophen Hartmut Rosa empfohlen, der sich mit „Beschleunigung“ und einer sinnstiftenden Beziehung zur Welt (Resonanz) beschäftigt.

Der Podcast ist ein Projekt des Forum Neue Politik der Arbeit und der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt der TU Berlin. Er wird finanziell gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung sowie die Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt.

Die Hosts des Podcast „Democratize Work!“

Johanna Lauber hat den Masterstudiengang “Labour Policies and Globalisation” der Global Labour University absolviert und Politikwissenschaft an der Universität Rostock studiert. 2020 bis 2021 war sie stellvertretende Leiterin der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt in der Zentraleinrichtung Wissenschaftliche Weiterbildung und Kooperation der Technischen Universität Berlin.

Felix Nickel ist Arbeitsforscher im DFG-Projekt „Digitale Entfremdung und Aneignung von Arbeit: Entfremdungserfahrungen in digitaler Dienstleistungsarbeit“. Er hat Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert und ist Absolvent des Masterstudiengangs „Global Political Economy“ an der Universität Kassel. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf Beschäftigte, Theorie des (Digitalen) Kapitalismus, Arbeitsprozesslehre (Labour Process Theory) und Gewerkschaftspolitik.

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