Systemcheck für Kreative: Status Quo von und Forschungsergebnisse zu sozialer Absicherung von Solo- Selbständigen und hybrid Arbeitenden am Beispiel der darstellenden Künste
Aussteller: Projektteam „Systemcheck“: Bundesverband Freie Darstellende Künste, ensemble-netzwerk, Institut für interdisziplinäre Arbeitswissenschaft der Leibniz Universität Hannover, Institute for Cultural Governance
Frei und selbstbestimmt arbeiten: Was häufig als Zukunftsvision des Arbeitslebens beschrieben wird, ist in den darstellenden Künsten vielfach bereits Realität. Doch für die Mehrzahl der Akteur*innen in der Kunst- und Kulturwirtschaft bedeutet die Freiheit, unabhängig künstlerisch zu arbeiten, auch: einen Mangel an sozialer Absicherung, etwa bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder im Alter. Dies betrifft Solo-Selbstständige ebenso wie Hybrid-Beschäftigte. Die Coronapandemie hat einmal mehr gezeigt, dass die vorhandenen sozialen Sicherungssysteme nicht ausreichen. Sie müssen zwingend weiterentwickelt werden, sodass sie zukunftsfest und fair werden. Das Hauptanliegen von „Systemcheck“ ist daher die Verbesserung der sozialen Absicherung für freischaffende Erwerbstätige der darstellenden Künste.
Das Forschungsprojekt „Systemcheck“ des Bundesverbands Freie Darstellende Künste e.V. untersuchte von September 2021 bis Dezember 2023 die Arbeitsbedingungen und insbesondere die Situation der sozialen Absicherung von Solo-Selbstständigen und Hybriderwerbstätigen in den darstellenden Künsten. Das Forschungsprojekt wurde durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aufgrund eines Beschlusses des Bundestags gefördert und mit drei Partnern durchgeführt: dem ensemble-netzwerk e.V., dem Institute for Cultural Governance und dem Institut für interdisziplinäre Arbeitswissenschaft der Leibniz Universität Hannover.
Systemcheck: Forschungsergebnisse
Zentraler Teil der Forschung ist die quantitative Studie „Unterm Durchschnitt. Erwerbssituation und soziale Absicherung in den darstellenden Künsten“. Die Studie basiert auf einer eigenen Erhebung und auf einer großen Anzahl von Befragten, weshalb sie von großer Aussagekraft hinsichtlich eines Teilarbeitsmarktes ist, der bislang in repräsentativen Untersuchungen untererfasst ist. Sie wurde durchgeführt von INES Berlin – Das Institut für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung. Fünf zentrale Findings aus „Unterm Durchschnitt“ werden hier vorgestellt.
(1) Die Erwerbstätigkeit in den darstellenden Künsten ist von Mehrfachbeschäftigung geprägt. Mehr als die Hälfte der Befragten geht mindestens zwei Erwerbstätigkeiten nach, knapp ein Drittel übt sogar drei und mehr Tätigkeiten aus. Fünf Erwerbsstatus leigen unter den Befragten vor:
Grafik 1: Erwerbsformen bei maximal vier Tätigkeiten, alle Erwerbsstatus in den darstellenden Künsten (Quelle: Tobsch, Verena; Schmidt, Tanja; Brandt, Claudia. (2023). Unterm Durchschnitt. Erwerbssituation und soziale Absicherung in den darstellenden Künsten. Berlin: Bundesverband Freie Darstellende Künste e. V.; Design: Panatom Media Generator)
(2) Die durchschnittlich gezahlten Monatsbeiträge für die private Kranken- bzw. Rentenversicherung sind bei den befragten Erwerbstätigen höher als die Beiträge zur gesetzlichen Versicherung, da für Privatversicherte der Gesamtbetrag zu zahlen ist, im Vergleich zu gesetzlich Versicherten inklusive der Arbeitgeberanteile. Die Beiträge für die KSK sind jeweils um rund 100 Euro geringer als die Beiträge für die gesetzliche Kranken- bzw. Rentenversicherung. Das lässt darauf schließen, dass die für die KSK relevanten und von den KSK-Versicherten gemeldeten Einkommen geringer sind als bei Erwerbstätigen, die gesetzlich versichert sind. Die monatlichen Rentenbeiträge von durchschnittlich 236,50 Euro für gesetzlich Versicherte, 148,10 Euro für KSK-Versicherte und 339,60 Euro für privat Versicherte liegen weit unter dem Regelbeitrag für versicherungspflichtige Selbständige.
Grafik 2: Durchschnittliche monatliche Sozialversicherungsbeiträge, alle Erwerbsstatus (Quelle: Tobsch, Verena; Schmidt, Tanja; Brandt, Claudia. (2023). Unterm Durchschnitt. Erwerbssituation und soziale Absicherung in den darstellenden Künsten. Berlin: Bundesverband Freie Darstellende Künste e. V.; Design: Panatom Media Generator)
(3) Bezüglich sonstiger Rücklagen für das Alter zeigt sich folgendes Bild: Knapp die Hälfte der Solo-Selbständige und Hybriderwerbstätige besitzt eine Rentenzusatzversicherung (Versorgungs- und Pensionskassen, Riesterrente etc.),knapp 19 Prozent haben eine Kapitallebensversicherung und 57 Prozent verfügen über sonstige Rücklagen aus angespartem Vermögen, aus Erbschaften und Schenkungen oder sonstigen Quellen.
Grafik 3: Rücklagen fürs Alter bei Hybriderwerbstätigen und Solo-Selbstständigen (Quelle: Tobsch, Verena; Schmidt, Tanja; Brandt, Claudia. (2023). Unterm Durchschnitt. Erwerbssituation und soziale Absicherung in den darstellenden Künsten. Berlin: Bundesverband Freie Darstellende Künste e. V.; Design: Panatom Media Generator)
(4) Hinsichtlich der Absicherung weiterer Risiken wie Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit, Unfall und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Krankentagegeld) zeigt sich, dass die Absicherungsgrade und -niveaus bei (mehrfach) Solo-Selbständigen und Hybriderwerbstätigen eher gering sind.
Grafik 4: Weitere Versicherungen bei Hybriderwerbstätigen und Solo-Selbstständigen (Quelle: Tobsch, Verena; Schmidt, Tanja; Brandt, Claudia. (2023). Unterm Durchschnitt. Erwerbssituation und soziale Absicherung in den darstellenden Künsten. Berlin: Bundesverband Freie Darstellende Künste e. V.; Design: Panatom Media Generator)
(5) Eine Berufsunfähigkeitsversicherung besitzen zwischen 14 Prozent und 19 Prozent. Die monatlichen Beitragszahlungen liegen zwischen 58 Euro und 66 Euro. Etwa ein Drittel besitzt eine Unfallversicherung mit geringen monatlichen Beiträgen zwischen 13 Euro und 15 Euro, die keine Einkommensersatzleistung im Fall von Unfällen vermuten lassen. Eine Krankentagegeldversicherung haben zwischen neun Prozent und 12 Prozent. Die jeweils monatlich geleisteten Beträge liegen jedoch weit unter dem Niveau, das zur Absicherung einer ausreichenden Entgeltfortzahlung reichen würde.
Grafik 5: Monatlich durchschnittliche Versicherungsbeiträge bei Hybriderwerbstätigen und Solo-Selbstständigen (Quelle: Tobsch, Verena; Schmidt, Tanja; Brandt, Claudia. (2023). Unterm Durchschnitt. Erwerbssituation und soziale Absicherung in den darstellenden Künsten. Berlin: Bundesverband Freie Darstellende Künste e. V.; Design: Panatom Media Generator)
Labor Arbeitswelten
Im Projekt „Labore“ des Bundesverbands Freie Darstellende Künste“, dass 2022 durchgeführt wurde, untersuchten insgesamt fünf Kollektive der freien darstellenden Künste während vier Wochen ihre Arbeitswelten.
Die Labore wurden im Rahmen des Programms Bundesweite Artists Labs“ des Fonds Darstellende Künste veranstaltet, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR.
Solo-Selbstständigkeit
Solo sein, selbstwirksam sein und beständig sein: Was hat die Solo- Selbständigkeit mit Kunst zu tun? Welche Arbeitsanteile erfordern was? Welche Rolle spielt Zeit? Für welche Arbeit braucht es ein Kollektiv, für welche ein Solo-Sein? Wie hat sich die Solo-Selbständigkeit in den vergangenen Jahr(zehnt)en verändert?
Von und mit: Ute Kahmann, Stela Korljan, Bridge Markland
Briefe an die Solo-Selbstständigkeit
Im Rahmen von moderierten Austauschformaten mit den Soloselbständigen des Artis Labs „Arbeitswelten“ des Bundesverbands Freie Darstellende Künste, Bridge Markland, Ute Kahmann und Stela Korljan entstanden diese „Briefe an die Soloselbständigkeit“. Dabei verfassten drei Künstlerinnen des Stuttgarter Citizen Kane Kollektivs Texte aus ihrer Perspektive, die dann wiederum von den drei, etwa 30 Jahre länger tätigen Künstler*innen des Labors gespiegelt wurden, um über die eigene Arbeitswelt zu reflektieren. Entstanden sind drei sehr persönliche, aber für jede*n nachvollziehbare Statements und die Frage: eine andere Generation – ähnliche Herausforderungen?
Von und mit: Citizen Kane Kollektiv, Ute Kahmann, Stela Korljan, Bridge Markland
Hybride Arbeitswelten
Zwischen den Stühlen? – Das Laborkollektiv untersuchte die Wechselwirkungen von hybrider Beschäftigung und künstlerischer Tätigkeit. Es nahm also die zahlenmäßig große Gruppe an Künstler*innen, die zwischen weisungsgebundenem Auftrag und freier Produktion tätig sind, in den Blick. Wie werden deren Erwerbsstrukturen und organisatorischen Nöte besser wahrnehmbar? Welche Herausforderungen und Lösungsvorschläge lassen sich wie diskutieren? Welche anderen Formen der Sichtbarkeit und Argumentation sind notwendig? Das Laborkollektiv nutzte Mittel der Gamification, um diesen Fragen nachzugehen.
Von und mit: ensemble netzwerk e.V. – Anica Happich und Johannes Lange
Illustrationen
Kontakt
Name: Cilgia Gadola
Telefon: 0179 2338409
E-Mail: cilgia.gadola@darstellende-kuenste.de
Webseite: https://darstellende-kuenste.de/